Carsten Tergast

BildCarsten Tergast (ct),
freiberuflicher Journalist und Buchautor (und in einem anderen Leben Buchhändler und Literaturwissenschaftler)

Was macht einen guten Rezensenten aus?
Unvoreingenommenheit gegenüber neuen Büchern und Autoren. Die Fähigkeit, den Gehalt eines Buches auf vergleichsweise knappem Platz auf den Punkt zu bringen. Eine breite Kenntnis weiterer Bücher, Autoren und literarischer Erscheinungen.

Gibt es ein Buch, für das Ihnen die Worte fehlten?
Da wäre vielleicht „Wuthering Heights“ zu nennen. Irgendwann ohne jede Erwartung begonnen, ich könnte nicht einmal mehr sagen, aus welcher Motivation heraus. Atemberaubend. Die Sprache. Die Geschichte. Die Figuren. Über das Buch zu schreiben, fiele mir schwer. Ich hab’s im Studium kompensiert, indem ich über die alte Verfilmung geschrieben habe …

Mussten Sie Ihr Urteil über ein Buch schon einmal revidieren?
Nach etwa 100 Seiten hatte ich mein Urteil über die Buddenbrooks eigentlich schon gefällt: Zu manieriert, langatmig, nicht mein Fall. Ein paar Seiten hat der gute Thomas Mann dann doch noch Aufschub bekommen: Ich musste das 100-Seiten-Urteil revidieren, der Rest war eine komplett positive Überraschung, ich habe es geliebt!

Welches literarische Phänomen nervt? Wie kann ein Autor Sie in Rage versetzen?
Derzeit: Titel, die kaum aufs Cover passen, weil sie sich irgendwelcher ellenlangen Nebensätze bedienen („Der 100jährige, der …“ usw.). Autoren versetzen mich vor allem mit Geschwätzigkeit in Rage. Büchern, die mehr als 300 Seiten haben, misstraue ich grundsätzlich erst mal, denn das Wichtige kann man meist besser auf knappem Raum sagen.

Welcher ist der größte Fehler, den selbst ein professioneller Leser machen kann?
Voreingenommenheit gegenüber dem Autor. Ein Fehler, den man gerade als professioneller Leser gerne macht. Jeder hat eine zweite Chance verdient.

Das beste Buch, das Sie in den letzten zwei Monaten gelesen haben:
Paul Austers „Winterjournal“.

Das schlechteste Buch, das Sie je gelesen haben:
Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher.

Das Buch, dem Sie so viele Leser wünschen wie nur irgend möglich:
Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“. Und natürlich „Wuthering Heights“…

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